Klaus Dierßen
Home / Passage Projekte / Angesehen (Inhalt) / Seite 118 von 147
 

Heike Becker
Trendmoden

Hier in Quedlinburg bin ich zur Schule gegangen und habe dann von 1975 bis 1977 in Finsterwalde Drogistin gelernt. Ich habe später als Laborantin in einer Großbäckerei angefangen, war anschließend in der Harzer Likörfabrik. Dort habe ich Produktionsabrechnung gemacht. Dann bin ich in den Handel gegangen, in den 'Delikat'. Da gab's den Kaviar und alles so zu dementsprechenden Preisen. Vor der Wende habe ich einen Ausreiseantrag gestellt. Ich wurde dann versetzt in so eine kleine Betriebsverkaufsstelle. Ich nehme an deswegen. Es hat mich aber auch nicht gestört, muß ich sagen. Es hat auch Spaß gemacht. Dann ist mein Mann im Januar 1989 nach drüben geflüchtet. Und ich bin im Oktober '89 mit den Kindern über die Prager Botschaft nach drüben gekommen. Dort waren wir am Bodensee – war schön ...

Also wir haben noch nicht damit gerechnet, daß die Wende so schnell kommt, sonst hätten wir diesen Schritt nicht getan.

Mein Mann ging dann im Mai 1990 zurück. Er fing mit Autohandel an. Und ich bin mit den Kindern im September wieder zurück. Ich habe bei meinem Mann im Geschäft mitgearbeitet, hat mich aber ehrlich gesagt nicht so interessiert. Und dann hat er dieses Haus gekauft, und das war für mich eine Möglichkeit, was Eigenes zu machen. Und so diese Richtung, das war eigentlich schon immer das, was mir Spaß gemacht hat und das bot sich ja jetzt an ...

Mein Mann hat Zimmermann gelernt und seinen Meister gemacht. Fachwerkhäuser und Häuser überhaupt interessieren ihn eigentlich schon immer sehr. Das war früher eine Bäckerei ...

Am Anfang hatte ich schon so meine Probleme. Das stimmt schon. Da habe ich gedacht, alles wächst mir über den Kopf. Also Angst war schon da. Eigentlich ist jetzt ein guter Trend zu verzeichnen. Wenn die Leute reinkommen, dann glaube ich, daß sie wissen, daß ich nicht ganz so billig bin. Ich denke, daß meine Ware gute Mittelklasse ist ...

Manche Kunden kommen rein, gucken so ein bißchen herum, und dann sehe ich, wie sie die Preisschilder 'rumdrehen. Dann kommen sie die Treppe wieder runter: "Das können wir uns nicht leisten." Und dann geh'n sie, ohne 'Auf Wiedersehen' zu sagen. Die sind auch manchmal richtig böse. Gut, das tut mir leid, aber so ist das ... Es ist im Moment zwar ruhig, aber trotzdem, im Vergleich zum Vorjahr ist mein Umsatz steigend. Und das ist gut, darüber freue ich mich und es macht auch Spaß ...

Ich habe ausschließlich Esprit-Moden. Esprit hat sich das Geschäft seinerzeit angesehen, ob ich ihre Sachen hier verkaufen darf oder nicht, und sie waren angenehm überrascht ...

Ich war immer gerne Verkäuferin. Früher hat mich nur die Arbeitszeit extrem gestört. Daß mein Mann immer pünktlich Feierabend hatte und ich mußte immer bis halb sieben im Laden stehen. Das sehe ich jetzt anders. Verkauft habe ich schon immer gern. Da sehe ich jetzt im Vergleich zu früher gar keinen Unterschied. Ich gehe auf die Leute zu und es macht eben Spaß ...

 
Hildesheim 2021