Klaus Dierßen
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Bernd Gork
Museum Senftenberg

Ich wurde 1949 in Hörlitz bei Senftenberg in der noch sowjetischen Besatzungszone geboren, bin wohnhaft in Senftenberg. Zehn Klassen-Schule, dann Berufsausbildung als Elektriker. Lehre in Brieske, dem Sitz des BKK, Braunkohlenkombinat Senftenberg, mit verschiedenen Fabriken und Tagebauen. So habe ich dann in der Ausbildung die verschiedenen Stationen durchlaufen, die es im Bergbau gab, auf den Großgeräten im Tagebau, in den Brikettfabriken, im Kraftwerk. Nebenher Abitur und anschließend Beginn eines Fachschulstudiums Elektronik in Senftenberg. Nach zwei Monaten Exmatrikulation wegen politischer Unzuverlässigkeit. 1968 war das. Ich hab' den Einmarsch der Russen in Prag erlebt und aus dem Erlebnis heraus den Austritt erklärt aus der FDJ, der 'Freien deutschen Jugend' und DSF, der 'Deutsch-sowjetischen Freundschaft'. Dann kurze zweijährige berufliche Arbeit als Elektriker in der Brikettfabrik 'Impuls' ...

Ab Herbst 1970 Studium der Musik und Germanistik in Halle an der Martin Luther Universität als vierjährige Ausbildung zum Diplomlehrer, eine Lehrbefähigung einschließlich für Gymnasien. Es gab bei uns diese Teilung Unterstufenlehrer-Oberstufenlehrer. Unterstufe wurde an Fachschulen ausgebildet, drei Jahre. Anschließend Tätigkeit im Beruf als Deutschlehrer und Kunsterzieher weil an der Schule ein Musiklehrer bereits existierte, so daß ich hauptsächlich Kunsterziehung unterrichtet habe. Mit Kunst hatte ich mich immer schon beschäftigt, schon in meiner Studienzeit. Habe dann insgesamt sieben Jahre als Lehrer gearbeitet mit, für meine Begriffe, schlechtem Erfolg. Ich hab' versucht, von dem Beruf wegzukommen. Bis sich das dann zu einem Punkt kulminierte, wo ich sagte: Jetzt geht's nicht weiter. Hab' dann 1981 abgebrochen und anschließend ein Ensemble gebildet mit Chören und Tanzgruppen. Das nannte sich offiziell Pionier- und FDJ-Ensemble, ein Ensemble, was zu gewissen Anlässen Auftritte hatte, Programme gestaltete. Ich habe dann als Chorleiter dort mitgearbeitet. Das war praktisch eine Zwitterstellung zwischen Volksbildung und Kultur. Ich war noch Mitglied der Volksbildung. Ein Lehrer konnte schwer aus der Volksbildung 'raus damals.

Volksbildung war praktisch das Fachministerium für die Lehrer und dem waren die Schulen unterstellt. Du warst, wenn du Lehrer warst, Angehöriger der Volksbildung. Und wenn du weg wolltest von der Volksbildung, mußtest du noch Gründe haben. Das war alles sehr schwierig, weil Lehrer gebraucht wurden. Vor allem männliche Lehrer waren sehr gesucht. Das mag auch ein Grund dafür gewesen sein, daß ich als politisch nicht so Zuverlässiger studieren konnte, was mich sehr erstaunt hat. Außerdem hatte ich ja auch den Wehrdienst verweigert, habe dann aber während des Studiums praktisch diese Wehrdienstverweigerung aufgehoben, indem ich mich hab' vereidigen lassen im Rahmen einer militärischen Ausbildung von sechs Wochen im Studium. Direkt von Hochschulen gab es Ausbildungslager bei der NVA, der nationalen Volksarmee. Da haben die, die schon gedient hatten als Unteroffiziere gearbeitet oder als Kompaniechefs. Ich habe praktisch vor der Entscheidung gestanden: Hältst du die Wehrdienstverweigerung aufrecht? Das würde bedeuten, wieder runter von der Schule. Dann wäre ich sofort exmatrikuliert worden. Oder du versuchst jetzt einen Kompromiß zu finden für dich, um weiter zu machen ...

Ich habe dann langsam auch den Kontakt zum Museum in Senftenberg bekommen, wo irgendwann die Idee reifte, eine Sammlung aufzubauen. Mit den damaligen Direktoren des Museums habe ich ständig Kontakt gehabt und sie auch oft besucht. Wir haben über Bilder gesprochen. Ich habe ihnen meine Arbeiten vorgestellt, und es wurde dann auch eine Ausstellung von mir im Schloß gemacht. Man hat die Idee mit der Kunstsammlung aufgegriffen, wobei ich erst nebenbei ein paar Stunden hier im Museum gearbeitet habe, immer aber auch das Ensemble machte, also eine zweigleisige Geschichte. Bis ich eines Tages die Kündigung vollzogen habe von der Volksbildung, wirklich mit der Volksbildung gebrochen und daraufhin praktisch im Museum hauptamtlich angefangen habe zu arbeiten ...

Die Museumsdirektoren sind Maler gewesen. Ja, das ist das Interessante, daß das Museum eigentlich immer von Malern geleitet wurde. Nur einer kam aus der Ökonomie. Mit der Sammlung ist das dann irgendwo eine logische Konsequenz, als verstärkte Zuwendung zur Kunst ...

Die Sammlung besteht aus Malerei, Grafik und Plastik. Sie beschränkt sich auf drei Bereiche: Auf Künstler, die in der Lausitz leben, das ist die eine Gruppe. Dann Künstler, die aus der Lausitz kommen, hier geboren sind. Berühmtestes Beispiel ist vielleicht Baselitz, der sich ja nach seinem Geburtsort Baselitz nennt. Georg Baselitz, der eigentlich Georg Kern heißt. Ein dritter Bereich sind Arbeiten, die die Lausitz thematisieren ...

Seit 1987 bin ich hauptamtlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum, man kann auch sagen Abteilungsleiter für Kunst. Oder Galerieleiter, weil Galerie und Sammlung sich verzahnen, miteinander zu tun haben. Ich bin zuständig für die Kunstsammlung Lausitz, das heißt für die Erweiterung der Sammlung, für die Ankäufe, für den Kontakt mit den Künstlern, für den Aufbau einer Fachbibliothek, die Archivierung und Lagerung, bin zuständig für die Galerie und die Sonderausstellungen. Dazu gehört auch der Aufbau der Ausstellung mit diesen rein technischen Belangen ...

Es hat natürlich keiner damit gerechnet, daß es so schnell gehen würde. Also, die Wende kam doch überraschend irgendwo. Das war wie so ein immer schneller galoppierendes Ende dann. Man hat in der Zeit auch ständig gespürt, was los war. Die 'Montagsdemos' in Leipzig und so weiter. Das hat man alles verfolgt. Es ging dann hier auch los, da wurden auch Demonstrationen gemacht. Aber es war, wie gesagt, ein Reinkommen, es war kein deutlicher Bruch spürbar. Man hat natürlich vieles gespürt, daß vieles nicht mehr ging und daß es sich festgefahren hatte. Man spürte andererseits auch eine Verunsicherung bei den sogenannten Machthabern bei der Partei und bei den Leuten. Wobei ich aber im Museum auch etwas ein Gettodasein geführt habe. Ich war eigentlich abgeschirmt von dem großen Leben in den Betrieben. Man war im wesentlichen dort ein bißchen abgeschirmt und hat das doch so nicht mitbekommen. Es ist ja die Frage gewesen, kann man das so weiter fahren in der Form, wie es bisher war.

Es wurde viel Kultur gemacht, zum Beispiel gab es diesen sogenannten Volkskunstbereich. Es wurden da Leute direkt von Betrieben freigestellt für volkskünstlerische Aktivitäten, etwa für Chorlager. Wenn ein Betriebschor irgendwann zu proben hatte, dann haben die eine Woche lang ein Chorlager gemacht und wurden von den Betrieben freigestellt. Es gab eine umfassende Kulturförderung, wobei das Reinreden in die Kultur dann zum Ende zu weniger wurde. Es war sehr drastisch in den fünfziger und sechziger Jahren. Da war das sehr akut dieses Reinreden in der Bildenden Kunst, aber es wurde schwächer. Es war diese ideologische Beeinflussung nicht bis zuletzt so immens, wie man es jetzt vielleicht ein bißchen hinstellen wird ...

Aber wir haben eine ganze Reihe von Aktivitäten gemacht hier im Museum. Wir haben zum Beispiel jedes Jahr einmal einen Schloßmarkt veranstaltet. Das war eine Veranstaltung über ein Wochenende, ein historischer Schloßmarkt, wo wir im Schloßbereich Händler eingeladen und auch Veranstaltungen gemacht haben. Wir haben selber viel eingebracht an Ideen und mit dem Theater zusammen improvisiert, so einen mittelalterlichen Ort gesucht. Das war jedes Jahr mit großem Zuspruch und Zulauf. Die Veranstaltungen waren immer dicke besucht, es war eigentlich eine aktive Zeit. Und wir haben für die Sammlung dabei auch Geld bekommen ...

Ich bin natürlich losgegangen und hab' gleich nach der Wende Kontakt gesucht zu den Betrieben. Das brach ja alles weg. Die haben die Besitzer gewechselt, sind privatisiert worden. Ich habe die sehr positive Erfahrung machen können, daß der Chef der Laubag, die Lausitzer Braunkohle AG, das ist die Nachfolgeeinrichtung des BKK, sehr kunstinteressiert war und mir Geld gegeben hat im ersten Jahr für Ankäufe ...

Ich habe während des Studiums in Halle sehr oft die Galerie in der Moritzburg besucht. Und hab' dort auch mal die Galeriegespräche besucht mit damals bekannten Malern und bin in Cottbus drei Jahre zur Abendschule gegangen. Das ist eine Außenstelle von der Hochschule Dresden. Ziel dieser Ausbildung war, für den Volkskunstbereich auszubilden. Und da habe ich vor allen Dingen begonnen, Collagen zu machen. Das war eine Anregung von einem der Lehrer dort. Hab' dann sehr viel mit Naturpapieren collagiert, weil ich zu Hause nicht malen konnte. Und 1987 hat mir meine Frau zu Weihnachten ein Atelier geschenkt, in das ich mich zurückgezogen habe. Nach und nach haben wir dann weitere Räume in dem Hofbereich dazubekommen, so daß jetzt drei Künstlerateliers existieren. Mit Künstlerkollegen haben wir uns 1988 zu der Gruppe "Der Hof" zusammengefunden und malen hier einmal in der Woche gemeinsam. Einmal im Jahr stellen wir in einer Woche im Hof aus und laden auch andere Künstler, Musiker, Schriftsteller dazu ein, die dann lesen oder Konzerte geben ...

 
Hildesheim 2021