Klaus Dierßen
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Silke Paasch
Boutique Schick

Früher habe ich in der Boutique meiner Schwester als Verkäuferin gearbeitet. Das war ein halb und halb Betrieb, der hatte eine Kommission mit der HO. Da habe ich dann auch selber Sachen genäht und verkauft. Dafür mußte man einen Schein machen, damit man das durfte. Den habe ich aber gehabt. Verkauft habe ich die Sachen dann bei meiner Schwester und auch in anderen Geschäften. Ein Jahr vor der Grenzöffnung habe ich dann auch auf Märkten verkauft, das habe ich nach der Wende bis 1990 gemacht. Nur hat sich das mit eigenen Sachen nicht mehr gelohnt. Da habe ich dann auch schon Schmuck und Socken verkauft, die ich woanders bezogen habe. Weil mir das dann aber auch zu kalt wurde, immer auf dem Markt stehen, war das nicht so mein Ding.

1991 habe ich in einer Werbeagentur angefangen und nebenbei eine Ausbildung gemacht. Als ich fertig war, habe ich mir überlegt, daß ich einen eigenen Laden will und das habe ich dann gemacht. Der wurde dann am 1. September 1993 eröffnet.

Rechnungswesen ist in meiner Ausbildung mit drin gewesen. Da habe ich viel gelernt, muß mir aber noch vieles anlesen. Der Laden ist von der Wohnbau gemietet. Das war früher KWV hier, also Kommunale Wohnungsverwaltung und die haben das jetzt überall, wo sich keiner gemeldet hat, übernommen. Da habe ich 1991 einen Antrag auf Gewerberaum abgegeben. Dann wurde ich ein paar Mal angeschrieben aber das waren ganz furchbare Dinger. Und dann war in der Berliner Zeitung eine Anzeige: Gebe Laden auf, Ecke Dimitroff Straße. Und da bin ich hier hingeeilt und die Frau wollte aufgeben. Wir sind uns einig geworden und dann zur Wohnbau gelaufen. Und so habe ich den eben gekriegt. Was aus der Frau mit dem Hutladen hier früher geworden ist, weiß ich auch nicht.

Ich bin froh, daß ich den Laden hier gefunden hab. Ich habe einen Mietvertrag über zehn Jahre, da kommt keiner ran.

Der Laden ist privat und keiner Kette angeschlossen. Ich fahre zu Messen, bestelle meine Sachen oder kaufe so beim Händler und verkaufe die dann hier. Auf dem Markt früher war das auch nichts anderes, bloß hat man draußen gestanden und ein anderes Publikum gehabt. Jetzt ist es schöner und gemütlicher. Da hat man so sein kleines eigenes und kann machen was man will.

Hier kaufen viele die hier wohnen. Studenten und Leute, die hier ihr Geschäft haben, meistens Stammkunden, die einen bestimmten Stil haben. Die wollen sich nicht im Kaufhaus drängeln und wissen, was sie hier bekommen. Die Preise sind Mittelmaß, nicht preiswert aber auch nicht unheimlich teuer. Ich habe viele gute Materialien wie Leinen, Seide, immer ohne Chemie. Und viele Naturfarben. Und nur noch Damenmode. Herrenmode gibt es hier in der Gegend genug.

Bei manchen Leuten muß man sich wundern, wieviel Geld die haben. Die kommen hier rein und kaufen für viel Geld Klamotten. Bei anderen merkt man, wenn die keine Arbeit haben, daß es ganz schön knapp ist. Hier sind eben auch viele junge Leute, die nicht so viel Geld haben. Aber ich bin da sehr optimistisch, daß sich das hier mal ändert. Muß man ja auch sein, na ja mal abwarten.

Viele Kunden kommen hier auch und kaufen was Gutes und ziehen das auch ein paar Jahre an. Ich habe auch viel Zeitloses und nicht so was ganz Schrilles.

 
Hildesheim 2021