Klaus Dierßen
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Kerstin Dulz
for young people

Vorher war ich angestellte Verkäuferin, gelernt habe ich Kellnerin. Ich habe bei meinen Eltern im Zoogeschäft in der Goepenstraße gearbeitet, hier in Sangerhausen.

Mein Mann der war ganz Maurer und dann auch Meister. Als Meister im Büro hat er dann gesessen. Ganz zum Schluß war mein Mann dann auch noch mit bei meinen Eltern im Geschäft und da hat er dann angefangen, Hundefriseur zu machen. Und da sind wir dann darauf gekommen, das selbst zu machen.

Bis ein Jahr nach der Wende ging das. Und dann hat sich uns die Chance geboten, das Haus hier zu kaufen und die ganze Sache ein bißchen zu vergrößern und selbständig zu machen. Wir waren mit vier Personen in dem Laden gewesen, wir waren drei Familien dort und das hat es nicht mehr getragen. So haben wir uns dann was einfallen lassen. Wir haben eben rechtzeitig überlegt und nicht erst, wenn meine Eltern hätten sagen müssen, daß sie zwei entlassen.

Meine Eltern waren schon immer Kommissionäre, also halb privat und halb staatlich. Da hatte man schon immer ein anderes Verhältnis zur Arbeit. Man mußte ja schon immer für sich arbeiten. Ganz anders ist es dann nach der Wende geworden, da haben die ja ihr Geschäft privatisiert. Und irgendwie ist das Verhältnis zur Arbeit schon immer anders gewesen als wenn man angestellt gearbeitet hat im volkseigenen Betrieb, da denkt man immer anders. Das hilft einem gewaltig. Man weiß von vornherein, daß man immer auf sich allein gestellt ist und die Arbeit allein machen muß. Man kann sich auf niemand verlassen. Man muß eigene Ideen aufbringen, man kriegt ja nicht gesagt, was man machen muß.

Also war das für uns nicht so überraschend jetzt, es ist nur ein Umschwung eine andere Branche zu machen. Da sich dran gewöhnen richtig zu kalkulieren, vom Prinzip ist es gleichgeblieben. Und die Jahre zuvor haben mir sehr geholfen, man bekommt schon ein bißchen einen Einblick wie es laufen muß. Da habe ich schon einen besseren Start als wenn man aus einem Angestelltenverhältnis kommt.

Wir wollten selbständig sein und nicht irgendwo in einem Betrieb arbeiten. Wir kannten das nicht anders und wir konnten uns auch nicht vorstellen, unter einer anderen Regie zu arbeiten. Da haben wir gesagt: "Jetzt probieren wir es erst mal selber, den anderen Weg kann man dann immer noch gehen."

Da gab es dann Fördermittel und günstige Kredite, sonst hätten wir das nicht geschafft. Manche hatten ja Geld aus der DDR-Zeit. Das wurde dann eins zu eins oder später eins zu zwei getauscht. Das war im September 1992 und der Eigentümer war aus dem Westen, das war ein rückübereignetes Grundstück. Den Laden haben wir am 3. Mai 1993 eröffnet.

Wenn man so ein Haus kaufen kann, dann ist das schon günstiger, als wenn man sich irgendwo einmieten muß. Wir haben das hier angeboten gekriegt, das hat uns zugesagt und da haben wir zugeschlagen. Wir mußten dann umbauen. Daß wir Kinderboutique und Hundefriseur machen, war ja klar. Die Idee ist uns eigentlich gekommen, als wir das Objekt hier besichtigt haben. Da haben wir ja schon angefangen zu grübeln, aber was ich für eine Branche einschlagen wollte, das kam dann in Gesprächen mit Bekannten und Freunden. Eine Kinderboutique fehlte noch in Sangerhausen. Da gab es nur ein oder zwei und eine macht jetzt wieder dicht.

Ich bin jetzt vollkommen selbständig, ich fahre auf Messen, da wird die Ware geordert oder in die Modezentren. Da hängt Ware, die man absortieren kann, also gleich mitnehmen kann. Es entscheidet dann der eigene Geschmack oder der eigene Geldbeutel, was man nehmen will und was man kann.

Herauszufinden, in welche Richtung die Kunden tendieren, das war so die Anfangsschwierigkeit. Die Frage, in welcher Größe man wieviel kauft, das muß man erst 'rauskriegen.

Daß die Menschen bei der hohen Arbeitslosigkeit von fast fünfundzwanzig Prozent sparen, merkt man auch bei Kinderkleidung. Ich habe viele hochwertige Sachen und es geht die Tendenz dahin, hochwertige Ware zu kaufen, aber oftmals geht es einfach nicht. Der Wille ist da aber das Geld fehlt. Die Leute können nicht auch wenn sie wollen. Es gibt sicher auch noch welche die grundsätzlich günstig einkaufen wollen, aber die kommen dann nicht. Also ich bin der Auffassung, wenn die Leute Qualität wollen, dann kommen sie hierher. Die kleiden dann nicht ihre Kinder von Kopf bis Fuß hier ein, aber wenn ein festlicher Anlaß ist oder ein gutes Stück nötig ist, dann wird schon mal hier gekauft. Die Leute, die sich das grundsätzlich leisten können, sind wenige. Von denen könnte ich überhaupt nicht leben, das ist nur die obere Schicht. Das Markenbewußtsein steigt immer mehr. Die Leute sind dahinter gekommen, daß sie doch eher was davon haben.

 
Hildesheim 2021